6. Oktober 2011

JESSJESS VIEWS

Warschau vor einer Woche. „Vollmond“, ein Stück von Pina Bausch, hat uns dort hin verschlagen. Am Freitagabend sitzen wir in einer verrauchten Kneipe, die Wände knallrot, braune uralte Holzstühle und Tische, auf dem Boden abgewetzte orientalische Teppiche, das Publikum jung, alternativ.
Der Wein und das Bier schmecken hervorragend! Jessica alias JessJess und ich haben schon Fusseln am Mund vom vielen Reden. Unser Ziel: Ein Interview mit JessJess für ihre Blogleser.  
Wie könnte man einen Menschen besser kennen lernen, als ihn mit Fragen zu löchern...
Freut euch auf das nachfolgende, denn das Interview hat sehr viel Spaß gemacht!

Du bist Wahl-Frankfurterin. Wann bist du nach Frankfurt gezogen und warum?

Im Jahr 2005. Ich habe meine Ausbildung zur Fotografin abgeschlossen und dort
einen Job als Fotografin gefunden.  
Die Stadt selbst hat mich gereizt. Der Gedanke, dass man sich dort ausleben kann und die Liebe!

Hast du dich schon immer mit Mode beschäftigt?

Ja! Bewusst allerdings erst als Teenager. Ich habe viele Stil-Richtungen ausprobiert.
Auch Frisuren. Nur mit Make-up habe ich wenig experimentiert.
Für mich war Kleidung ein Weg mich selbst zu finden, mich zu definieren. Und mich
auszudrücken. Meine Persönlichkeit zu zeigen oder Gefühlen Ausdruck zu
verleihen.
Je nachdem was ich getragen habe, war es eine Art Rebellion!
Das ist auch heute noch so. Wenn ich mich z.B. sexy fühle, kleide ich mich sexy.
Wer mich kennt versteht meinen Kleidungsstil!

Dabei fällt mir ein, dass deine Leser noch gar nicht wissen wie alt du bist!?

Ich bin 33 Jahre jung.

Das bedeutet du hast die 80er und 90er Jahre selbst erlebt – unabhängig davon, welches Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts inspiriert dich in Sachen Mode am meisten?

Ja, die 80er und 90er Jahre habe ich ganz bewusst mit erlebt.
Also ich denke, das kann man nicht pauschal sagen. Jedes Jahrzehnt hat auch ein damit einhergehendes Lebensgefühl, hat seine eigene Geschichte. Z.B. die 70er, Schlaghosen, Hippies, die 80er, Neonfarben,
Punkbewegung.
Kleidung gleich Lebensgefühl.
Die verschiedenen Stilrichtungen kommen immer wieder zurück, was, so denke ich, daran
liegt, dass man das damit verbundene jeweilige Lebensgefühle wieder neu ins Leben rufen
will.

Könnte man sagen, dass unser Zeitalter, dass Zeitalter der Kombinationen ist? Also der Kombination der Mode der letzten Jahrzehnte?

Jein! Dinge die existieren werden umfunktioniert, aufgearbeitet.
Altes wird neu interpretiert und mit Altem und Neuem kombiniert. So entsteht wieder etwas
Anderes, etwas ganz Neues!

Ist Mode für dich Kunst?
Definitiv! Sei es diese in einem Bild einzufangen oder in Stein zu meißeln;
es ist eine Idee, was ganz eigenes, etwas, was es in diesem Maß noch nicht gab.
Sie ist Ausdruck und ganz bestimmt gefühlsabhängig.

Was inspiriert dich?

Tiere inspirieren mich - ihre Farbenpracht ist einfach unglaublich!
Die Natur gibt mir absolute Inspiration – das Grün der Wiesen, das Blau der Meere.

Das Meer liebst du sehr, oder?
Ja (lacht). Ich verbinde damit Angst, Ruhe, Stille.

Warum Angst?

Der Gefahren wegen – so bin ich eben – ein Hosenschisser (lacht).
Überall verbergen sich Ängste, aber wenn man ehrlich ist, wenn man dem ehrlich entgegen tritt, wird man nicht enttäuscht.

Du entwirfst und schneiderst auch selbst Kleidung. Bisher nur für dich und gute Freunde, oder?

Ja, bisher nur für mich.  

Was bewegt dich dazu?

Vor zwei bis drei Jahren war ich auf der Tradewinds-Modenschau im King Kamehameha
Club in Frankfurt; während der Show hab´ ich mich plötzlich geärgert, dass ich nicht stricken kann!
Dann hab´ ich erst das Stricken und anschließend das Nähen gelernt.
Der eigentliche Beweggrund ist aber, dass mir irgendwann klar geworden ist, dass es
in Frankfurt nichts zu kaufen gibt, was keiner hat. Ich konnte nicht individuell genug sein.

Hast du ein Lieblingsmaterial und wenn ja, welches?

Ein spezielles Lieblingsmaterial habe ich nicht. Es kommt auf das Kleidungsstück an und auf das, was man ausdrücken möchte. Was für mich ganz wichtig ist, es muss sich gut auf der Haut anfühlen.

Hast du eine Lieblingsfarbe?

Schwarz! Zu jedem Anlass passend.
Für manche ist schwarz und weiß keine Farbe – für mich definitiv! Ich liebe schwarz!
Aber wie schon gesagt, auch die Farben der Natur sind überwältigend, grandios!
Man denke beispielsweise an einen Schmetterling, den Tiger oder den Pfau!!

In deinem Online-Store verkaufst du viele Einzelstücke die du sehr sorgfältig auswählst.
Spiegeln diese Kleider alle deinen persönlichen Stil wieder?

Ja, das kann man auf jeden Fall so sagen!

Was ist bei der Auswahl für dich wichtig?

Wenn ich ein Teil sehe, muss ich denken „Das MUSS ich haben!“.
Ich muss mir dieses Kleidungsstück an mir und meinen Kunden vorstellen können.
Sicherlich spielt bei der Auswahl auch der aktuelle Trend eine gewisse Rolle, aber wie bereits gesagt, diese Stücke spiegeln immer meinen eigenen Geschmack wieder.  
Ein Kleidungsstück spricht mich nur an, wenn es außergewöhnlich ist, bzw. ganz besonders,
individuell eben.

Wirst du irgendwann auch deine eigenen „Arbeiten“ in deinem Store verkaufen?

Das ist mein größter Traum! Eines Tages mein eigenes Modelabel zu haben, aber bis
dahin ist es noch ein langer Weg, aber das ist das Ziel.

Zur Zeit bietet dein Store ausschließlich Frauen eine Möglichkeit zum shoppen.
Konzentrierst du dich nur auf Mode für Frauen?

Auch die Mode für Männer finde ich interessant. Gerade durch meinen Freund versuche ich mich mehr damit auseinander zu setzen.
Aber bisher hat sich mein Interesse mehr auf die Mode für Frauen konzentriert.

Warum hast du dich bisher wenig oder gar nicht mit Herrenmode beschäftigt?  
Es ist ein persönliches Empfinden und natürlich eigennützig!
Die Mode der Frau ist einfach umfangreicher, verspielter und bietet mehr Möglichkeiten.
Aus dem Kleidungsstück als solches lässt sich mehr machen. Sie ist facettenreicher.

Wen genau möchtest du mit deiner Mode ansprechen?

Junge Frauen, die Mut zum Außergewöhnlichen, zum Anderen haben; sich nicht
verstecken, individuell sein wollen, frei sein wollen, frei in der Auswahl ihrer Kleidung.

Gibt es „Modesünden“? Wenn ja, welche und wie definierst du den Begriff?

„Modesünde“, das Wort mag ich nicht! Genauso wie das Wort „Sünde“!
Ich finde das liegt im Auge des Betrachters; gefällt oder gefällt nicht.
Und um ehrlich zu sein, finde ich es traurig (wobei ich nicht von der Hand weisen
möchte, das auch ich auf Trends achte), dass man vorgeschrieben bekommt, was man
tragen darf und was nicht!
Ich finde, dass ist eine Einschränkung in der Freiheit und das ist das Schlimmste in jeder
Hinsicht, was man einem Menschen antun kann.
Deswegen – nein! Für mich gibt es keine „Modesünden“.

Was hast du in der Zukunft geplant? Für dich, für deinen Store und deine eigenen Ideen?

Ich glaube das eine bringt das andere mit sich.
Also wichtig ist es mir, den Store weiter aufzubauen, bekannt zu machen, auch meinen
Modeblog, der mir sehr wichtig ist und viel Spaß macht.  
Das ich den Mädels mit meiner Mode Freude bereiten kann; dass sie Spaß daran haben
meine Kleidung zu tragen.
Das würde mich glücklich machen! Das ist mein Ziel!
Ideen sind vorhanden, man muss sehen was sich umsetzen lässt.

Ein Schlusswort oder einen Schlusssatz von dir!

Lieber lebendig als normal!
Bleibt euch selbst treu, dann kann nichts schief gehen.
Eure Jess

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